10. September 2016
König-Pilsener-Arena, Oberhausen
Am 3. Juli 1964, kurz vor des Bloggers zweiten Geburtstag, veröffentlichten Pete Townshend, Roger Daltrey, John Entwistle und Keith Moon noch unter dem Namen High Numbers ihre erste Single: I'm The Face / Zoot Suit. Bereits 1962 hatten sich Townshend, Daltrey und Entwistle als The Detours zusammengefunden. Das erste Mal kam ich mit der Musik von The Who Mitte der 70er Jahre in Kontakt. Schon damals zählten sie zu den Ikonen der Rockmusik, die ihre besten Platten bereits eingespielt hatten. Vielleicht von ihrer Wirkung und Bedeutung her nur vergleichbar mit den Beatles und den Rolling Stones, mit denen ich allerdings nie viel anfangen konnte.
Dem Besuch des Konzertes ging eine schwere Entscheidung voraus. Wir hatten nämlich für den Vorabend auch Karten für King Crimson in Stuttgart. Nach der beschwerlichen Reise zum Stuttgarter David Gilmour Konzert im Juli und angesichts des bevorstehenden Pflichttermins mit den Jayhawks in Berlin die Woche darauf, beschlossen wir schweren Herzens, die Tickets für KC zu verkaufen. Alle drei Termine innerhalb von zwei Wochenenden quer durch die Republik wahrzunehmen, erschien uns einfach als zu stressig.
Nicht ohne Grund habe ich eingangs mein Alter in Zusammenhang mit der Bandgeschichte von The Who gebracht. Gegenüber Stuttgart versprach Oberhausen ein Heimspiel und eine entspannte An- und Abreise. So brauchten wir quer durch die Stadt auch nur 15 Minuten bis auf den Parkplatz des Centros Oberhausen. Da Herr Townshend und Kollegen schon seit etlichen Jahren nicht mehr in Deutschland zu Besuch waren und hierzulande auch nur ein weiteres Konzert gaben, war der Parkplatz mit Autos aus der ganzen Republik und dem angrenzenden Ausland gefüllt.
Schon auf dem Weg vom Parkplatz zur Halle wurde deutlich, dass Babett und ich zur Senkung des Altersdurchschnitts beitragen würden. Ein großer Teil des Publikums muss die Band schon in den 60er Jahren gehört haben. Der Anteil jüngeren Publikums war auffallend gering. Vielleicht lag es auch daran, dass die Veröffentlichung des letzten Studioalbums mittlerweile schon 10 Jahre zurückliegt. Ich hatte trotzdem nicht das Gefühl, mich auf einer dieser Nostalgieveranstaltungen zu befinden, auf denen Bands mit berühmten Namen spielen, und deren einzige Verbindung zum Original der Umstand ist, dass allenfalls der Schlagzeuger den Schwager des Originalbassisten mal kannte. Hey, ich war auf einem Who-Konzert. We are the Mods und so. Ich kann mit gutem Gewissen behaupten, dass das Publikum die Gefahr zu sterben, bevor es alt wird, zu 100 Prozent hinter sich hatte.
Ich hielt mich mit meinem Primus T-Shirt den spätsommerlichen Temperaturen für angemessen oberbekleidet. Ein älterer Herr mit Haarersatz beeindruckte mit einem schönen Mod-Parka zu schweren Springerstiefeln. Auf unserem Wege zu unseren Plätzen und während einer Rauchpause sah ich ihn des Öfteren auf seinem Schaulauf durch die Halle. Ich hoffte für ihn, dass er genug Wasser trinken und nicht dehydrieren möge. Die meisten Zuschauer trugen allerdings verwaschene Who-Shirts. Die Shirts verrieten, dass ihre Besitzer nicht das erste Mal auf einem Who-Konzert waren. Allerdings verrieten sie auch, dass ihre stolzen Träger früher mal mit einer schmeichelhafteren Konfektionsgröße ausgekommen sind. Ich hatte The Who zuvor 1997 in Dortmund gesehen und mich damit abgefunden, dass das Quadrophenia-Shirt dieser Tour mir nicht mehr paßt, sondern heutzutage von meiner Tochter gelegentlich als Schlafanzug missbraucht wird.
Da wir noch etwas Zeit bis zum Beginn hatten, schlenderten wir zum Merchandisestand, an dem ich ein schwarzes Polohemd mit dezentem Who-Emblem erstand. Außerdem fiel mein Blick auf das Angebot, die kommende Show später als Datei herunterladen zu können. Zu diesem Zweck konnte man eine Pappschachtel erwerben, in dem sich ein Live USB Wristband befand. Das Wristband hatte eine eigentümliche helltürkise Farbe. So stellte ich mir ein Armband für den Spindschlüssels eines Swinger Clubs vor. Egal. Ich griff zu. Ich bereute den Kauf übrigens nicht - auch wenn ich den Besuch eines Swinger Clubs hiermit ausdrücklich ausschließe. Eine Woche später konnte ich die komplette Show in sehr guter Tonqualität herunterladen. Eine schöne Erinnerung.
Wir gingen dann zu unseren Plätzen und Babett vorher auf die Toilette. Ich nahm mir vor, erst später, während der Show auf die Pippibox zu gehen. Normalerweise herrscht dann in der Herrenabteilung freie Platzwahl und ich würde noch eine Zigarette rauchen können. Nachdem der Support Act überstanden war und The Who bereits 45 Minuten spielten, bin ich dann schnell in die Keramikabteilung. Ich dachte zuerst, ich hätte irrtümlich die Damentoilette betreten. Es war proppevoll. Ich hatte offensichtlich nicht bedacht, dass mit der Konfektionsgröße auch die Prostata und die mit ihr assozierten Probleme zunehmen. Ich mußte echt lachen.
Und das Konzert ? Pete Townshend kam auf die Bühne, rief: Wieeee gäääht's ? und die Show begann mit Who Are You. Gleich das zweite Stück, The Kids Are Alright, hätte mich eigentlich in ohnmächtige Glückseligkeit versetzen müssen. Tat es aber nicht. Es war einfach viel zu laut und die Akustik in der Arena furchtbar schlecht. Immer dasselbe. Die Akustik in diesen Arenen hält mich immer mehr von Konzertbesuchen ab. In die Kölnarena gehe ich z.B. gar nicht mehr. Selbst wenn Tom Petty kommt. Die Setlist war okay, wird aber wohl auch schon seit Längerem in dieser Form praktiziert. Ich habe von Zuschauern, die in Stuttgart ganz vorne saßen, gelesen, dass sie in den Pausen zwischen den Stücken mehrfach lautstark das offensichtlich nächste Lied forderten und Pete Townshend dies "ertappt" mit einem Grinsen quittierte.
Die Musik war über jeden Zweifel erhaben. Immer noch explosiv und roh. Der Stimme von Roger Daltrey merkte man ihr Alter deutlich an, die von Pete Townshend klang dagegen wesentlich besser. Erfreulich fand ich neben den Quadrophenia- und Tommysachen insbesondere die Aufführung von Pictures Of Lily und Eminence Front. Wen ich vermisste, war John Entwistle. Es scheint mir aber angemessen, dass sein Nachfolger Pino Palladino nicht versuchte, ihn zu kopieren.
Übrigens stand am nächsten Tag in der Zeitung, dass Roger Daltrey sich den Rücken verrenkt hatte und ein Osteopath aus Duisburg kommen mußte, um ihn für die Show fit zu machen. Ich hoffe, dass bleibt jetzt für längere Zeit das letzte Konzert, in dem Osteopathie und Prostatae eine Rolle spielen.
Die Setlist:
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